Claudia Rapp-Neumann und Eckhart
Neumann
Eintauchen! Auftauchen! Das Meer bei Caspar David Friedrich und Benjamin Britten.
Erfrischendes und Tiefgründiges zur Sinnsuche in verschiedenen Lebensaltern
Im Laufe unseres Lebens stehen wir immer wieder vor Entwicklungsaufgaben, die mit einem Wechsel von einer Lebensphase in eine andere zu tun haben. Pubertät, der Übergang ins junge Erwachsenenalter, Paarbildung, Elternschaft, Wechseljahre, Altern - immer wieder geht es um Wandlungsprozesse, die unser Lebensgefühl zutiefst beeinflussen. Diese Phasen des Übergangs – manche davon dauern Jahre – sind damit verbunden, dass Früheres an Bedeutung verliert, Neues sinnstiftend gefunden werden muss. Oft sind Lebenskrisen auch Sinnkrisen. Was erleben wir, wenn wir Sinnkrisen durchmachen? Wie lösen wir uns im Wechsel zwischen verschiedenen Lebensphasen von Altem und wie finden wir Neues, was uns Sinn gibt? Wie kann man psychodynamisch beschreiben, welche Affektregulation dabei gefordert ist? Gibt es typische Konstellationen, die in solchen Lebensphasen erlebt werden? Was braucht es, um solche Lebenskrisen gut zu bewältigen?
Dies sind die Fragen, die uns beschäftigen werden. In Bildern von Caspar David Friedrich und der Musik von Benjamin Britten findet sich die künstlerische Ausgestaltung des Themas.
Dr. med. Mathias Hirsch
Zur narzisstischen Dynamik sexueller Beziehungen in der Psychotherapie
Einer realen sexuellen Beziehung zwischen Therapeut und Patientin liegen meist starke beidseitige narzisstische Bedürfnisse zugrunde. Für den Therapeuten bedeutet sie einen Kompromiss von narzisstischer Aufwertung und das Agieren einer grandiosen Fusionsphantasie auf der einen Seite und einer Symbioseangst andererseits, die er durch das starre Festhalten am analytischen Setting unter Kontrolle behält. Durch diese Ritualisierung kommt die Beziehung der sexuellen Perversion nahe. Die Patientin dagegen neigt typischerweise zu einer Sexualisierung ihrer frühen narzisstischen Bedürfnisse – oft verursacht durch ein reales sexuelles Trauma in der Kindheit -, die vom Therapeuten als sexuelle missgedeutet werden. Die entstehende Kollusion enthebt den Therapeuten keinesfalls der Verantwortung, die Realisierung der Beziehung – also sexuellen Kontakt – zu vermeiden.
Dipl.-Psych. Eva Flemming
Bindung und seelische Gesundheit ehemaliger Wochenkrippenkinder
Die Wochenkrippen waren in der DDR neben den Tageskrippen eine gesellschaftlich weitgehend akzeptierte Form der Betreuung von Säuglingen und Kleinkindern und wurden zeitweise gezielt von staatlicher Seite beworben. „Wochenkind“ zu sein bedeutete, von Montag früh bis Freitag bzw. Samstag durchgängig (das heißt Tag und Nacht) in der Krippeneinrichtung betreut zu werden und nur an den Wochenenden Kontakt zur Familie zu haben. Hochrechnungen gehen von mehreren Hunderttausend Menschen aus, die ihre ersten Lebensjahre in einer wochenweisen Betreuung verbracht haben. In einigen Familien ist das Thema bis heute ein Tabu. Erst in den letzten Jahren entstanden verschiedene Initiativen der künstlerischen und wissenschaftlichen Aufarbeitung. Der Vortrag stellt die Hintergründe der Wochenkrippenbetreuung und mögliche Auswirkungen dieser Betreuungsform auf die seelische Entwicklung der Betreffenden dar. Dazu werden die ersten Ergebnisse eines Forschungsprojekts der Universitätsmedizin Rostock vorgestellt, bei dem knapp 300 ehemalige Wochenkrippenkinder zu ihren Bindungsmustern und ihrer seelischen Gesundheit befragt wurden. Mittels der Bestimmung von Haarkortisol werden zudem Rückschlüsse auf die biologische Stressbelastung der Befragten gezogen. Die Ergebnisse sollen im Hinblick auf die psychotherapeutische Behandlung von ehemaligen Wochenkrippenkindern und weiteren Patient:innen mit frühkindlichen Trennungserfahrungen zur Diskussion gestellt werden.
Lena Trembitska
Psychoanalyse zwischen den Fronten
Mit meinem Vortrag möchte ich einen Erfahrungsbericht zum Erleben und zur Reflexion sowohl privater als auch beruflicher Vorgänge vorlegen, die ich bei Menschen beiderseits der aktuellen kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine beobachten konnte. Wie ist das Therapeutsein, wenn Patient*innen auf der Flucht oder in einer Kriegssituation leben müssen? Wenn eigene Supervisor*innen in beiden Ländern arbeiten? Mein Bericht bezieht sich darauf, was grundsätzlich zwischen den Fronten bleibt, und wie das mit inneren „psychischen Fronten“ verbunden ist, die unter diesen Bedingungen unweigerlich aktiviert werden.
Dr. med. Marike Merkel
Vom Kontaktabbruch zur Verbindung – psychotherapeutische Begleitung von Familien bei peripartalen Krisen
Anhand eines klinischen Fallbeispiels aus der Sprechstunde für Regulations- und Bindungsstörungen im Säuglings- und Kleinkindalter erläutert die Referentin ihr therapeutisches Vorgehen. Auf der Bindungstheorie basierend bezieht es sich auf Körperwahrnehmung und Emotionsregulation von Eltern und Kindern. Auf diese Weise soll das Sicherheitserleben und die Beziehungsfähigkeit aller Beteiligten rund um die erste Lebenszeitgestärkt werden.
Prof. Dr. phil. Bernhard Strauß
Stärkung der therapeutischen Beziehungskompetenzen – das DeeP-Projekt
Die Ausbildung und Stärkung von therapeutischen Beziehungskompetenzen stellt ein zentrales Ziel der Psychotherapieausbildung dar. Diese psychotherapeutischen Kompetenzen umfassen eine Vielzahl von Fähigkeiten, die die Arbeit und den Therapieerfolg von Psychotherapeut:innen beeinflussen können. Insbesondere zeigen hierbei interpersonelle Kompetenzen und die damit verbundene Fähigkeit, in komplexen Therapiesituationen angemessen zu reagieren, bedeutende Zusammenhänge zum späteren Therapieerfolg (Heinonen & Nissen-Lie, 2020; Anderson et al., 2016; Schöttke et al., 2015). Die bisherige Forschung deutet darauf hin, dass es außerdem wichtig ist, mit welcher Trainingsmethode die interpersonellen Kompetenzen in der Ausbildung vermittelt werden, da die gewählten Methoden den später erzielten Lernerfolg direkt beeinflussen. So konnten sich in bisherigen Studien insbesondere Deliberate Practice (Ericsson & Lehmann, 1996) und Strukturiertes Feedback als vielversprechende didaktische Mittel erweisen (Mahon, 2022; Weck et al., 2016; Weck et al., 2017). Nichtsdestotrotz besteht ein großer Mangel an systematischen Studien, die verschiedene Kompetenzvermittlungsmethoden im Psychotherapie-Ausbildungskontext experimentell untersuchen.
Das durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt Effekte von Deliberate Practice und Feedback in der Psychotherapieausbildung (DeeP) der Universitätskliniken Jena und Heidelberg soll dazu beitragen, diese Forschungslücke zu schließen. In deutschlandweiter Zusammenarbeit mit diversen Psychotherapie-Ausbildungsinstituten sollen unterschiedliche Vermittlungsmethoden zur Stärkung der Beziehungskompetenzen in einer randomisiert-kontrollierten Längsschnittstudie untersucht werden. Hierzu werden Psychotherapeut:innen in Ausbildung im Zuge eines dreiteiligen Seminars mit unterschiedlichen didaktischen Mitteln (Deliberate Practice, Strukturiertes Feedback, Kombination aus beidem, Plenumsdiskussion) in interpersonellen Kompetenzen geschult. Die Entwicklung dieser Kompetenzen wird mit der deutschen Version der Facilitative Interpersonal Skills Rating Method (FIS; Anderson & Patterson, 2013) erhoben.
Im Ergebnis sollen aus der laufenden Erhebung erste deskriptive Daten der Prä- und In-between-Messung vorgestellt werden. Der Fokus wird hierbei sowohl auf der Ausprägung der interpersonellen Kompetenzen als auch auf möglichen Gruppeneffekten liegen.
Dr. med. Marike Merkel
In Verbindung gehen – bindungsbasierte körperorientierte Methoden in die tiefenpsychologische Behandlung integrieren
In diesem Workshop wird mit praktischen Übungen gezeigt, wie die Therapie biographischer Kontakt- und Bindungsabbrüche im Rahmen der tiefenpsychologischen Behandlung mittels bindungsbasierter körperorientierter Methoden, unterstützt werden kann. Hierbei stellt die achtsame Beobachtung von Atem und Herzschlag eine zentrale Rolle dar. Es wird gezeigt, wie Patienten*innen in ihrer Regulationsfähigkeit durch stabilisierende Berührungen unterstützen werden können.
Prof. Dr. med. Carsten Spitzer
Alter(n) als Beziehungsbruch?!
Versteht man den Tod als absolute Beziehungslosigkeit, lässt sich fragen, ob der Weg dahin – also das Alter(n) – nicht auch vielfältige Beziehungsbrüche bereithält und bedingt. Die Auseinandersetzung mit dem (eigenen) Alter(n) gehört aber eindeutig nicht zu den Stärken der Psychotherapie und ihren Akteure, also der Psychotherapeut:innen. In diesem Workshop werden zunächst einige Forschungsbefunde zum Thema Alter(n) und Psychotherapie referiert, u.a. dazu wie Psychotherapeut:innen mit dem eigenen Alter(n) umgehen, wie sie ihre Patient:innen und sich selbst auf das Ende ihrer Tätigkeit oder gar ihren Tod vorbereiten oder wie sich die therapeutische Beziehung durch das Alter(n) verändert. Dieser Input soll die Teilnehmer:innen zum Austausch und gemeinsamer Reflexion anregen.
Dr. phil. Gerald Schlecht
Die Frage nach der Mehrstündigkeit in analytischen Behandlungen – veraltet?
Untersucht wird die Bedeutung der Mehrstündigkeit für psychoanalytische, im Weiteren aber auch für tiefenpsychologisch und psychodynamisch orientierte Behandlungen; zunächst wird die Frage der Mehrstündigkeit aus der historischen und regionalen Handhabung heraus entwickelt und differenziert. Davon ausgehend soll die Bedeutung für die heutige, durch Umbrüche und gesellschaftliche Spaltungen, durch Beschleunigung, Informationsüberfluß vs. Selbstreferenzgruppen („Blasen“) gekennzeichneten Zeit untersucht werden.